Rezension

Drei ostdeutsche Frauen betrinken sich und gründen den idealen Staat

In „Drei ostdeutsche Frauen betrinken sich und gründen den idealen Staat“ setzen sich die Autorinnen Peggy Mädler, Annett Gröschner und Wenke Seemann mit den anhaltenden Herausforderungen und Widersprüchen auseinander, die aus der deutschen Wiedervereinigung resultieren. So zwanglos sich der Titel auch anhört: Die drei Frauen diskutieren jahrzehntealte Probleme in einem lockeren Rahmen, während sie sich mit Wodka und Buletten stärken. Herausgekommen ist ein ebenso seltenes wie unterhaltsames Buch.

Es ist einer der schönsten Orte in Berlin, um einen Sonnenuntergang zu erleben, aber man muss der morbiden Industrielandschaft ringsherum schon etwas abgewinnen wollen.

Die Autorinnen reflektieren über den Traum von Freiheit, der seit der Wende von 1989 immer wieder geträumt wurde, und die Kluft zwischen den Idealen und der Realität, die viele Menschen in Ost- und Westdeutschland erleben. Mädler und Gröschner äußern ihren Frust über die anhaltenden Ost-West-Themen und die Illusion, dass diese Fragen längst gelöst seien. Sie betonen, dass die Solidarität, die in der DDR herrschte, heute fast verloren gegangen ist und dass es an der Zeit sei, diese wiederzubeleben.

Ein zentrales Anliegen des Buches ist die kritische Auseinandersetzung mit der Privatisierung von Wohnraum, die die Autorinnen als Verrat am Sozialstaat betrachten. Sie argumentieren, dass die Probleme, die einst spezifisch für Ostdeutschland waren, mittlerweile gesamtgesellschaftliche Fragen betreffen. In diesem Kontext wird die Notwendigkeit betont, nicht nur die Vergangenheit zu betrauern, sondern aktiv an einer besseren Zukunft zu arbeiten.

Die Autorinnen ziehen Parallelen zwischen den Dogmen des Kapitalismus und des Sozialismus und fordern ein Denken, das über einfache moralische Positionierungen hinausgeht. Sie plädieren für ein dialektisches Verständnis von Realität, das Widersprüche aushält und die Komplexität des Lebens anerkennt. Diese Sichtweise wird durch Zitate aus der DDR-Literatur untermauert, die die Illusion von Stabilität und Sicherheit in einer sich ständig verändernden Welt thematisieren.

Wer eine Kochinsel hat und die Kinder überhall hinbringen kann, hat wahrscheinlich auch eine (osteuropäische) Putzkraft. Aber es ist im Moment tatsächlich nicht meine größte Angst, an den Herd zu kommen. Wer sich nicht wehrt, verliert die Demokratie. Das ist gerade meine größte Angst.

„Drei ostdeutsche Frauen betrinken sich und gründen den idealen Staat“ ist nicht nur eine persönliche Reflexion über die Erfahrungen der drei Autorinnen, sondern auch ein Aufruf zur aktiven Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Fragen.

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